Offener Brief an die politisch Verantwortlichen für die Umsetzung der Energiewende:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir sind die Bürgerinnen und Bürger der Region Südniedersachsen und Nordhessen, organisiert in 26 Bürgerinitiativen, die nach den aktuellen Planungen extrem betroffen sein werden, durch einen massiven Ausbau der Windenergie in unserer Region.

Wir sehen mit Erleichterung in den aktuellen Nachrichten, dass die Vernunft beginnt wieder Einzug zu halten in den politischen Denkprozess der neuen Regierung in Berlin.

Wir können nicht verstehen, dass politisch bislang eine Energiewende propagiert wird, die die ursprünglichen Ziele aus den Augen verloren hat. Nicht mehr die Reduzierung von CO2 steht auf dem Plan, schon gar nicht mehr das Sparen von Energie, vielmehr sind die Motivationen gelenkt durch Subventionsrenditen und Pachtzahlungen an die Landbesitzer. Der politische Ehrgeiz ist hier nicht der intelligente Wandel hin zu einer Zukunft, in der Mensch, Natur und Technik in einem lebenswerten ausgewogenen Verhältnis koexistieren können, mit der Option fossile Brennstoffe zu ersetzen. Vielmehr ist eine Torschlusspanik entstanden. Die letzten Flächen werden ohne Not verplant und zukünftige Investitionen in effizientere Technologien auf absehbare Zeit blockiert.

Anstatt mit den betroffenen Bürgern vernünftig und frühzeitig einen gemeinsamen Wandel zu gestalten, wurden hinter verschlossenen Türen unsere Lebensräume in Goldgräberstimmung regelrecht „verschachert“. Die Landbesitzer pokern die Pachten in immer neue Höhen, alle anderen Anwohner müssen um die Heimat bangen. Es gibt nur noch ein Vorwärts, Höher, Weiter und Schneller beim Ausbau, ohne dass die gesundheitlichen Auswirkungen hinreichend geprüft sind, ohne dass die Umweltschutzbelange hinreichend beachtet werden.

Es fehlt im Größenwahn der Masterplan. Die Strommengen, die durch Wind- und Solarkraft erzeugt werden, sind schwer planbar und derzeit aus technologischen und wirtschaftlichen Gründen nicht im erforderlichen Maß speicherbar. Dieser „Zappelstrom“ drückt zeitweise die Preise an der Börse in schwindelerregende Tiefen und effiziente Gaskraftwerke in den Ruin. Bezahlen müssen dies alle Bürger durch eine schnell steigende Zwangsabgabe auf Strom. Der seit 2012 ansteigende CO2- Anteil in der Stromversorgung zeigt, dass das Klimaschutzziel ohne Speichertechnologie nicht erreicht werden kann.

Durch mangelnde Gesetze und Absprachen in Europa bleibt die Energiewende in Deutschland ein zahnloser Tiger: In unseren Nachbarstaaten stehen weiterhin Atomkraftanlagen und Kohlekraftwerke, die uns aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin versorgen werden. In Deutschland eventuell einmal eingespartes CO2 wird so an anderer Stelle freigesetzt und dem Gesamtsystem eben nicht entzogen.

Doch statt eine europäische Gesamtlösung anzustreben, wetteifern deutsche Regionen in einem Subventionswettlauf um bilanzielle Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern. Dies ist angesichts der von internationalen Handelsbeziehungen abhängigen Wohlstandsnation Deutschland ein Rückschritt in die Kleinstaaterei.

Seit dem Ausbau der Windkraft in Deutschland geht täglich wertvolle Natur mit bedrohten Arten und hochwertiges Ackerland zur Ernährung der zukünftigen Menschen im am dichtesten besiedelten Land Europas verloren. Wir werden unserer einzigartigen Landschaften und unserer besonderen Artenvielfalt beraubt, um einzelnen Energiegoldgräbern einen Spitzengewinn zu ermöglichen.

Potentielle Anleger können in der drohenden Insolvenz der Windenergiefirma Prokon und in der insolventen Firma Windreich schon jetzt einen Vorgeschmack erleben, wie nachhaltig und verlässlich in dieser luftigen Branche die Renditen sprudeln. Dies gilt insbesondere für Investitionen an nicht optimalen Standorten, wie sie jetzt in der Region Göttingen geplant sind. Auch die vielgepriesenen Bürgerwindräder sind für Kleinanleger eher ungeeignet. Denn sie stellen eine Beteiligung an einem Unternehmen dar mit allen Chancen und Risiken. Die Verlustgefahr ist in der Vergangenheit verharmlost worden. Schlimmer noch, Politiker haben für diese Form des Bürgerinvestments geworben und damit unkritisch einer Anlageform am grauen Finanzmarkt sogar Vorschub geleistet!

Eine Politik, die glaubt, der Bürger werde für derartige Unvernunft noch sein letztes Sparguthaben in Bürgerkraftwerke einzahlen, wird eines Besseren belehrt werden. Die Bürger beginnen zu durchschauen, dass die ihnen versprochenen Renditen zunächst einmal von ihnen selbst über die Zwangsumlage finanziert sind!

So sieht keine Bürgerbeteiligung aus, für die wir uns vom Bürgernetzwerk engagieren.

Im Kreis Göttingen will man mit mindestens 125 Riesenwindanlagen - und wenn notwendig weiteren 125 - bilanziell „energieautark“ werden. Die hiesige Politik will als Klassenbester die Energieziele des Bundes in dieser Region überflügeln.

Am Ende wird mit Macht und Planungswut jeder potentielle Hektar verplant und windig verbaut sein. Für die meisten Menschen wird diese Region aber völlig zerstört sein: Eine Zukunftsvision, in der unsere Kinder keinen Platz mehr haben werden, ihr Leben zu gestalten.

Die Bürger lernen, informieren und organisieren sich. Sie kennen nun die Hintergründe und die Abgründe dieser Energiewende. Wir sagen Nein zu solcher Unvernunft und begrüßen die neue Politik der kritischen Sichtweise, die sich nun im Wirtschaftsministerium abzeichnet.

Bürger und verantwortliche Politiker können dadurch wieder zusammenfinden, wenn mit Zeit zum Abwägen auf Augenhöhe nicht nur eine einzige Technik geplant wird, sondern das gesamte Spektrum alternativer Energieformen einschließlich der bislang vernachlässigten Geothermie und vor allem Maßnahmen zum Energiesparen berücksichtigt werden.

Politik muss in der Demokratie nicht wenigen Profiteuren, sondern allen Bürgern dienen, ihre Sorgen und Ängste erkennen und vertreten.

Wir, die Bürgerinitiativen im Bürgernetzwerk Energiewende, bieten ihnen als politisch Verantwortliche einen Dialog an, um gemeinsam zu verträglichen Lösungen zu kommen, die ein Leben in dieser Region noch lebenswert sein lässt.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Die Bürger im Bürgernetzwerk Energiewende